Wenn der Schalter leer bleibt - Fachkräftemangel im Finanzsektor

ON7 Redaktion
3 Min. Lesezeit
25.09.2025
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Ein stilles Problem wird sichtbar

Bisher stand der Fachkräftemangel vor allem bei Pflege, Handwerk oder IT im Fokus. Doch 2025 wird klar: Auch der Finanzsektor bleibt nicht verschont. Filialen verkleinern ihre Öffnungszeiten, Kundenservice wird ausgelagert, Versicherer klagen über unbesetzte Stellen im Vertrieb und in der Sachbearbeitung.

Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen bereits heute rund 45.000 Fachkräfte im Bank- und Versicherungswesen, Tendenz steigend (Quelle: IW, 2024). Besonders betroffen sind Stellen in Kundenberatung, Compliance und IT-Sicherheit.

Warum der Finanzsektor besonders verwundbar ist

  1. Demografie: Auch hier gehen die Babyboomer in Rente. Laut Bundesagentur für Arbeit könnten bis 2035 fast ein Drittel der Beschäftigten in der Finanzwirtschaft altersbedingt ausscheiden (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2024).
  2. Regulierung: Banken und Versicherungen kämpfen mit einer Flut an Dokumentationspflichten: Geldwäscheprävention, ESG-Reporting, EU-Vorgaben. Das erfordert Fachkräfte, die juristisch und betriebswirtschaftlich geschult sind und genau die fehlen.
  3. Digitalisierung: Kund:innen erwarten digitale Services, von Mobile Banking bis Robo-Advisory. Dafür braucht es IT-Spezialist:innen, Datenanalyst:innen und Cybersicherheitsexpert:innen. Doch gerade in diesen Berufen gibt es bundesweit über 100.000 offene Stellen (Quelle: Bitkom, 2024).

Konkrete Folgen - vom Schalter bis zur Strategie

Der Mangel zeigt sich bereits im Alltag:

  • Kundennähe leidet: Filialschließungen nehmen zu. Zwischen 2010 und 2023 sank die Zahl der Bankfilialen in Deutschland um mehr als 60 % - teils aus Kostengründen, zunehmend aber auch wegen fehlenden Personals (Quelle: Bundesbank, 2024).
  • Überlastete Mitarbeitende: In Versicherungen berichten Angestellte von wachsender Arbeitslast. Beschwerden über lange Bearbeitungszeiten häufen sich.
  • Verpasste Chancen: Ohne genug Fachkräfte können Institute Innovationen wie KI-gestützte Beratung oder nachhaltige Anlageprodukte nicht schnell genug umsetzen.

Warum die Branche besonders unter Druck steht

Im Gegensatz zu Handwerk oder Pflege steht die Finanzbranche weniger im öffentlichen Fokus. Das hat Folgen: Politik und Öffentlichkeit nehmen den Mangel kaum wahr, obwohl die Branche systemrelevant ist. Wenn Kreditvergabe, Zahlungsabwicklung oder Versicherungsleistungen ins Stocken geraten, betrifft das die gesamte Wirtschaft.

Zudem sind Banken und Versicherungen im internationalen Wettbewerb um Talente kaum attraktiv. Junge Fachkräfte orientieren sich eher Richtung Tech-Unternehmen oder Start-ups. Das Image „verstaubt, hierarchisch und risikoavers“ schreckt viele ab.

Wege aus der Krise

  1. Automatisierung klug nutzen: KI und Prozessautomatisierung können Routineaufgaben übernehmen - von der Standardanfrage im Kundenservice bis zur Erstprüfung von Kreditanträgen. Das entlastet die Belegschaft und schafft Freiraum für komplexe Aufgaben.
  2. Internationale Talente gewinnen: Der Finanzsektor denkt bei Zuwanderung bisher kaum mit. Dabei gibt es hervorragend ausgebildete Finanzfachkräfte und IT-Spezialist:innen, die bereit sind, nach Deutschland zu kommen.
  3. Attraktivität steigern: Unternehmen müssen an ihrem Image arbeiten. Flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice, Weiterbildungsangebote und echte Karrierepfade sind entscheidend, um junge Talente anzuziehen. Eine Deloitte-Studie zeigt, dass über 70 % der Millennials und Gen Z in der Finanzbranche einen Jobwechsel erwägen, wenn diese Faktoren fehlen (Quelle: Deloitte, 2024).
  4. Kompetenzen im eigenen Haus entwickeln: Weiterbildung ist entscheidend. Beispielsweise könnten Blended Learning-Formate ermöglichen, dass Mitarbeitende schnell und praxisnah auf neue regulatorische und digitale Anforderungen vorbereitet werden.

Wenn der Schalter leer bleibt, stockt das System

Der Fachkräftemangel im Finanzsektor ist kein Randthema mehr. Banken und Versicherungen spüren ihn heute - in Filialen, in Backoffices, in IT-Abteilungen. Die Gefahr ist groß, dass die Versorgung mit Finanzdienstleistungen langsamer, teurer und unzuverlässiger wird.

Die Lösung liegt in einer Mischung aus Automatisierung, internationaler Fachkräftegewinnung und echter Attraktivitätssteigerung. Denn eines ist klar: Wenn der Schalter leer bleibt, hat das Folgen für uns alle - vom Privatkunden bis zur gesamten Wirtschaft.

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